Bericht Historica 2013

… und die Rote Laterne schlug doch noch zurück!

Vergesst KRUSNOTON, wahre Helden sind die Historic(a)er.

Aber nun mal der Reihe nach. Irgendetwas musste getan werden, um mein KRUSNOTON-Trauma von vor 14 Tagen zu bewältigen.

Psychotherapie – nö! Velotherapie wäre ganz o.k. Da stand doch noch etwas auf dem Plan, in Leipzig, die 1. HISTORICA. Endlich mal die Chance bei einer ersten Austragung dabei zu sein und Radsportgeschichte(n) mitzuschreiben. Bei der BRAUNKOHLE kam ich ein Jahr zu spät, beim KRUSNOTON gar zwei! Also das hier musste jetzt sein!

Im Vorfeld waren natürlich noch einige technische Vorbereitungen erforderlich. Glücklicherweise hatte ich im Winter einiges an – Zitat PANCHON – buntem Altmetall mit Schalthebeln am Unterrohr beschafft, mit der Absicht, darauf mal eine EROICA mitzufahren. Klasse, jetzt muss ich nicht mal nach Italien. O.k., bunt reduziert sich in diesem Fall auf DDR-Einheitsblau (die rote Gabel hat andere Gründe, siehe weiter unten) und Rostbraun, etwa zu gleichen Flächenanteilen. Altmetall? Naja, die Gelenke der guten alten FAVORIT-Schaltung sind aus schwarzem Plaste, schwer gezeichnet vom sauren Regen und ozonlochungebremster UV-Strahlung. Aber Unterrohrschalthebel – das war o.k., wenn ich diese bei der grundhaften Sanierung nicht so gut gefettet hätte, dass die erforderliche Haftreibung in Gleitreibung überging und sich das Schaltwerk permanent selbstständig den Weg in Richtung kleinstes Ritzel suchte.

Eine Woche meditativer Bastelabende und eine XXL-Tube ELSTERGLANZ sollten eigentlich für dieses Projekt genügen, dachte ich. Aber die Tücke lag im Detail. Jede Kugel des Steuersatzes  einzeln von Hand poliert und deren cellulitefreie Oberfläche liebevoll mit Vaseline einmassiert, in silbrigem Kranze in die Lagerschalen eingebettet, sanft umschlossen von der Steuerkopfmutter, schonend die Kontermutter draufgewunden und gewunden und gewunden und gewunden und gewunden und … Scheiße ausgeleiert! Da ja der Trend bekanntlich zum Zwei(t)rad geht, musste halt die rote Gabel her, auch so kann man farbliche Akzente setzen. Die weitere lange Liste erspare ich Euch. Doch die Krönung war sonnabends nachts, so etwa 10 Stunden vorm Start, das ultimative Einsetzen der Sattelstütze – 5cm zu kurz. Kein Drama, dachte ich (wie 14 Tage zuvor auch beim Griff in die Satteltasche), ich hab` ja noch zwei längere im Regal liegen. Hmm, länger war aber wohl auch dicker, jedenfalls keine Chance diese im Sitzrohr zu versenken. Eine nächtliche Panikattacke kündigte sich an – etwa schon wieder technisches K.O.?

So schob ich nun am Sonntag, nach entschleunigter Anreise mit der Deutschen ReichsEisenBahn, eine Maschine an den Start, welche eher einem Kinderrad für Body-Builder ähnelte – Sattel viel zu tief, Lenker viel zu schmal, Kurbel viel zu kurz und viel zu große Gänge (in die ich frühmorgens auch erst mal kommen musste).

Start? Der hatte natürlich schon stattgefunden, als ich kam. Macht nichts, muss man nicht mit der Meute mithecheln. In Ruhe das sportlich bunte Dress übergestreift, natürlich wurde ein bisschen gemogelt und eine Racehose mit Hightech-Polster drunter geschmuggelt, aber sonst völlig clean. Noch etwas für die Pressefotografen gepost und los.

Glücklicherweise war ich nicht der einzige Nachzügler. So konnten wir zu zweit die „Verfolgung“ aufnehmen, er stemmte sich gegen den Wind und ich sicherte das Feld nach hinten hin ab. Die Taktik war clever, was mich aber dazu verleitete die endgültige Streckenwahl (48, 79, 111 oder 153 km) noch etwas heraus zu zögern. Mal schauen, wie`s läuft (…und gelaufen wurde noch - viel!). Irgendwann, kurz vor Einsetzen des welligen Geländeprofils verlor sich dann für mich der Volkssportcharakter – dringende Pause war nötig. Wiedermal der alte Fehler – VersorgungsENGpass. Blöd, wenn die Trinkflasche hinten in der viel zu ENGEN Tasche des viel zu kleinen Trikots steckt, falls man die dann irgendwann mal draußen hat, kriegt man sie nicht wieder rein – also gar nicht erst versucht.  Der Kollege spendierte mir noch einen seiner beiden Reserve-Riegel, ein Leberwurst-Brötchen stand auch noch zur Debatte (wahrscheinlich wollte er nur Ballast loswerden – um dann, so wie vorher abgesprochen, endlich am ersten Hügel meinen schon leicht getrübten Blicken zu entschwinden). An dieser Stelle: Dank an FRANK – für`s Ziehen bis dahin. Ach so, die ersten beiden Streckenteilungen waren natürlich schon längst vorüber, Frank wollte ja sowieso die ganz große Runde fahren.

Frisch gestärkt wollte ich jetzt aber auch noch auf den Collmberg. Bis dahin gab`s aber noch ein paar giftige Rampen und immer noch straffen Gegenwind (grimmiger OST-Wind natürlich!). Schon an ersten Anstieg hinter Clennen, machten sich Krämpfe in den Oberschenkeln bemerkbar, wahrscheinlich weil ich aufgrund der zu niedrigen Sitzposition die Beine nicht richtig strecken konnte. Mir, als neuzeitlich auf Trittfrequenz getrimmten Hobbyfahrer, der sich für Bergfahrten ergänzend zur Kompaktkurbel hinten auch noch eine 32er MTB-Kassette draufschraubt, war sofort klar:  unfahrbar mit 48/24 (wie haben das die Friedensfahrer damals nur gemacht, die hatten ja nicht mal Bananen?!). Ich erinnerte mich, dass ich wohl in der TOUR mal gelesen habe, dass bei der EROICA auch schon mal geschoben wird. Na also, das kann ich aber auch. Zumal in Vorbereitung auf die kommende Berg(Wander)woche diese Art von Trainingsreiz völlig legitim ist. Nochmal in und hinter Mügeln und natürlich auch am Collmberg, wobei dessen Plasterbelag, in Verbindung mit neumodischen SPD-SL-Cleats an den Sohlen,  schon so etwas wie Eiskletter-Feeling vermittelte. Die letzten 10,5 Meter bin ich natürlich gefahren – bis an die Theke!

Hier oben war also Halbzeit – ein echter Collm-i­na­ti­ons­punkt also. Von jetzt an geht es nur noch bergab. Und im Norden soll`s ja auch schön flach sein. Hätte ich mal in Heimatkunde und Geo besser aufgepasst. Frisch betankt rollerte ich nun bis Schildau, ich weiß nicht, ob ich da von echten Schildbürgern begrüßt worden bin, jedenfalls gab`s noch genug zu essen und zu trinken und das Sonnenlicht hat auch keiner in Eimern ins Rathaus getragen. Die hatten hier sogar Fenster! Der nördlichste Punkt der Strecke war nun erreicht – endlich Heimfahrt! Die langgehegte Erwartung des Rückenwindes erfüllte sich aber immer noch nicht. Entweder fahren wir hier Zickzack oder der Wetterbericht war wieder für`n Arsch – dem ging`s allerdings wiedererwartend noch ganz gut – Danke an BAUCHI für den gut eingeschaukelten Selle-San-Marco-Rolls-Sattel. Aber trocken bleibt es wohl bis ins Ziel. Davor kommt noch die letzte Verpflegung in FREMDISWALDE. Der Ort hatte seinen Namen völlig zu Recht bekommen, weil, als Fremder stand man hier ganz schön im Wald – die Ausschilderung war nämlich plötzlich weg. Da knipste doch wirklich schon einer die Pfeile ab. Hatte ich jetzt ein Déjà-vu, bitte nicht schon wieder den Besenwagen! Zum Glück fuhr hier der „Knipser“  nur mit dem Rad und ohne Besen.  Den Kontrollstempel habe ich von ihm noch bekommen, aber die italienischen Momente im Leben schlugen trotzdem wieder voll durch: Flasche leer, habe fertig! Da konnte mir der „Knipser“ aber auch nicht aushelfen, die Bar war geschlossen.

Also dann, frei von jeglichem Ballast, ab nach Hause. Erfreulicherweise nun auch mal Wind von hinten. Die letzten Kilometer fuhr ich trendgemäß, wie es neudeutsch heißt, als FIXI oder Singlespeeder. Zum einen hatte ich eh` keinen Punch mehr, einen größeren Gang zu treten und zum anderen konnte ich mich auch kaum noch zu den Unterrohrschalthebeln, deren Feststellrädchen ich nochmals mit aller Kraft festgedreht hatte, herunterbücken.  Hurra! Ortseingangsschild PANITZSCH… ich wusste gar nicht, das Panitzsch SOOOOOOO groß ist. Aber irgendwann bin ich dann doch auf dem Zielgelände angekommen, kaputt, aber glücklich!

FRANK war auch noch da und hatte derweil wohl schon einige Bier Vorsprung herausgefahren.

Nun, es blieb gerade noch Zeit für ein „Sturzbier“ und um ein paar von den Veranstaltern zu danken, dann musste ich auch schon wieder nach Borsdorf zum Bahnhof radeln.

Jetzt steht dem erfolgreichen – Zitat UBSER - Abschluss der hobbyleistungsfreizeitsportgeprägten “ersten Lebenshälfte” wohl nichts mehr im Wege!

In diesem Sinne

Eure wieder leuchtendROTE LATERNE

 

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